Startup first? Warum der KMU-Mittelstand in der Förderpolitik den Kürzeren zieht

Adrian Huwyler ist ein erfahrener Strategie- und Markenberater mit Fokus auf digitale Transformation, Mehrwert Kreation und zukunftsgerichtete Startup-Strategien. Als Senior Equity Partner bei BrightPlaces begleitet er Unternehmen dabei, innovative Geschäftsmodelle zu entwickeln, ohne ihre wirtschaftliche Substanz aus dem Blick zu verlieren. Bei BrightPlaces entwickelt er Strategien für Unternehmen, die nicht auf kurzfristigen Hype setzen, sondern auf nachhaltiges Wachstum. Sein Fokus liegt auf echten Mehrwerten – nicht auf Buzzwords. Mit über 20 Jahren Erfahrung in Markenführung, Kommunikation und digitaler Innovation bewegt er sich sicher zwischen Agenturwelt, Konzernstrukturen und Startup-Kultur. In seiner Arbeit bringt Huwyler traditionelle Unternehmen mit neuen Denkweisen in Einklang – fundiert, pragmatisch und mit klarem Blick auf den unternehmerischen Nutzen.

Glaskauen am Abgrund – Wie der Startup-Hype unsere Wirtschaft aus dem Gleichgewicht bringt

Schneller, höher, besser – 3X, 5X, 10X. Skalieren bis „End of Business“. Das ist der Mantra-Singsang der Startup-Szene. Wer einmal an einer Startup Night war, spürt die Energie: Vision, Disruption, Produktivität auf Speed. Und dennoch bleibt oft ein fahles Gefühl zurück.

Denn während auf den Bühnen die Welt neu erfunden wird, kämpfen die echten Wertschöpfer:innen – Handwerker:innen, Gastgeber:innen, kleine Betriebe – um Fachkräfte, Finanzierung oder schnelles Internet.

In der Schweizer Förderlandschaft wird oft übersehen, dass KMU rund zwei Drittel aller Arbeitsplätze sichern.

Die klassische KMU-Förderung? Verdrängt. Vom Hype um Unicorns, Growth-Fonds und staatlich gepushte Venture Capital-Träume. Zeit, das Glaskauen am Rande des Abgrunds zu hinterfragen.

Während sich viele Programme auf Startups mit Plattformideen fokussieren, bleiben KMU mit Substanz oft auf der Strecke.

Nicht weil Innovation schlecht ist – sondern weil wir vergessen haben, was sie eigentlich bedeutet.

Eine gezielte KMU-Förderung in der Schweiz wäre nachhaltiger als das nächste Millioneninvestment in ein MVP ohne Geschäftsmodell.

Vom Garagen-Mythos zur Förderindustrie

Das Startup-Narrativ ist längst globaler Mainstream: Zwei Studienabbrecher, eine Garage, ein Pitch – fertig ist die nächste Milliardenidee.

Dieses Narrativ hat nicht nur Politik und Medien begeistert, sondern ganze Förderlandschaften umgeformt. „Innovationsparks, Acceleratoren, Inkubatoren – oft öffentlich finanziert – zielen auf schnelles Wachstum, wie wir es auch in der Modebranche unter dem Einfluss von KI erleben. Skalierung wird zum Fetisch. Doch: Die Realität sieht anders aus.

Laut Startup Monitor Deutschland (2023) scheitern über 70 % aller Startups innerhalb der ersten fünf Jahre. Viele verschwinden, bevor sie überhaupt ein nachhaltiges Geschäftsmodell haben. Zurück bleiben leere Innovationsräume und Fördergelder ohne Wirkung.

Adrian Huwyler erklärt, warum KMU-Förderung in der Schweiz wichtiger ist denn je
Das Co-Founder-Kit 2025: Alles für den Startup-Hype, nichts für KMU-Förderung – warum wir jetzt Substanz statt Selfie brauchen.

KMU – das stille Rückgrat

Gleichzeitig arbeiten Millionen Menschen in kleinen und mittleren Unternehmen. Sie sorgen für 99 % aller Unternehmen in Europa, über 60 % der Arbeitsplätze, laut European Commission SME Factsheet. Diese Betriebe sind systemrelevant – ohne PR-Agentur, aber mit Verantwortung. Sie bilden aus, zahlen Steuern, halten Regionen lebendig.

Was sie brauchen? Keine Millionen. Sondern:

  • Hilfe bei Nachfolge
  • Zugang zu Fachkräften
  • digitale Infrastruktur
  • niedrigschwellige Förderlogik

 

Was sie bekommen? Bürokratie, Berichtsformulare –
und den Anblick neuer Startup-Hubs mit Kickertisch, 3D-Drucker und Barista-Station.

Wenn Glaskauen zum Geschäftsmodell wird, bleibt irgendwann kein Biss mehr für die Realität.“

Adrian Huwyler

Die Startup-Ideologie:
Wenn alles Plattform sein muss

Was einst als mutige Innovationskultur begann, ist heute oft zur ideologischen Schablone geworden: Nur was skaliert, zählt. Nur was digitalisiert, wird gefördert.

Dabei sind die Herausforderungen unserer Zeit: Pflege, Bildung, Mobilität, Klimaanpassung – nicht durch Plattformlogik zu lösen. Sondern durch solide, menschliche, schrittweise Verbesserung. Innovation darf kein Formatzwang sein.

Vielleicht ist es an der Zeit, wieder mehr an das zu glauben, was in der Schweiz schon lange funktioniert – an Qualität statt nur Quantität und an Unternehmen, die im Wandel kreativ und widerstandsfähig bleiben.

An nachhaltiges Wachstum statt Growth-Hacks. Und an Unternehmerinnen und Unternehmer, die keine Skalierungsrunden brauchen, um echten Mehrwert zu schaffen.

Wenn wir von Zukunft sprechen, sollten wir nicht nur nach dem nächsten Unicorn suchen – sondern auch den Mut haben, unsere wirtschaftlichen Wurzeln zu pflegen.

Aber vielleicht liege ich auch falsch. Lassen Sie es mich wissen!

Fazit:

Startup oder Substanz?

Das ist kein Rant gegen Startups. Viele liefern wertvolle Impulse, denken neu, verändern Märkte. Aber: Innovation entsteht auch im Kleinen. In der dritten Generation einer Bäckerei, die regional digitalisiert. In einem Tourismusbetrieb, der Kreislaufwirtschaft ernst nimmt.

Startups versprechen Skalierung. KMUs liefern Stabilität. Während in den Pitch-Decks der nächste Exit geplant wird, halten lokale Betriebe unsere Wirtschaft am Laufen – Tag für Tag, ohne Hype, aber mit Handwerk, Herz und Haltung.

Wir brauchen beides: die Mutigen, die Zukunft bauen, und die Stillen, die Gegenwart sichern. Doch wenn die öffentliche Förderung nur noch dem Disruptiven folgt, geraten genau jene in den Schatten, die längst liefern.

Was wir brauchen, ist beides:

  • Die Garage und die Werkstatt
  • Das Pitchdeck und den Produktionsplan
  • Das MVP und das Meisterstück

 

Förderpolitisch heisst das:

  • Startups fördern, ohne KMU zu vergessen.
  • Wagnis ermöglichen, aber Wertschöpfung stützen.
  • Hype bremsen, Handwerk stärken.

Deshalb gilt jetzt: Mehr Fokus auf Substanz statt nur auf Startup. Mehr Realität. Weniger PowerPoint.

Also, packen wir’s an!

Ein Kommentar von Adrian Huwyler, Creative Lead & Digital Marketing Consultant bei BrightPlaces & Co-Founder von #askAnoukAI

Zahlen zur Startup-Finanzierung in der Schweiz

Im Jahr 2023 flossen insgesamt rund 2,6 Milliarden Schweizer Franken an Risikokapital in Schweizer Startups – ein Rückgang von 35 % gegenüber dem Vorjahr. Besonders betroffen war das Segment der Startups in der Wachstumsphase, während die Zahl der Finanzierungsrunden mit 397 nahezu stabil blieb. 

Im Jahr 2024 setzte sich der Abwärtstrend fort: Das investierte Volumen sank um weitere 15 % auf 2,3 Milliarden Franken, bei 513 registrierten Finanzierungsrunden. Ein Lichtblick ist der Bereich der künstlichen Intelligenz: 22 % aller Finanzierungsrunden entfielen auf KI-Startups – doppelt so viele wie im Vorjahr. 

Regionale Unterschiede zeigen sich ebenfalls: Während Zürich weiterhin die höchste Investitionssumme verzeichnet, erlebte die Basel Area 2023 ein starkes Wachstum. Startups in Basel-Stadt und Basel-Landschaft erhielten zusammen über 350 Millionen Franken, mit bedeutenden Finanzierungsrunden für Unternehmen wie Noema Pharma und Alentis Therapeutics. 

Förderprogramme für KMU

Die Schweiz bietet verschiedene Förderprogramme für KMU an, die je nach Branche und Unternehmensgrösse angepasst sind. Diese Programme unterstützen KMU bei Wachstum und Innovation.

Übersicht über aktuelle Angebote: kmu.admin.ch – dem KMU-Portal des SECO.

Handlungsempfehlungen für eine ausgewogene Förderpolitik

  1. Transparente Mittelverteilung: Eine klare Offenlegung der Fördermittelverteilung zwischen Start-ups und KMU kann helfen, Ungleichgewichte zu erkennen und zu adressieren.
  2. Stärkung regionaler Programme: Regionale Initiativen, wie das Zürcher Pilotprojekt zur KMU-Innovation, sollten ausgebaut und auf andere Kantone übertragen werden.
  3. Förderung von Kooperationen: Die Zusammenarbeit zwischen KMU und Forschungseinrichtungen sollte intensiviert werden, um Innovationen praxisnah umzusetzen.
  4. Langfristige Unterstützung: Förderprogramme sollten nicht nur auf kurzfristige Erfolge abzielen, sondern nachhaltiges Wachstum und Stabilität fördern.
  5. Vernetzung und Sichtbarkeit stärken: KMU sollten gezielter gefördert werden, wenn es darum geht, ihre Leistungen sichtbar zu machen – ob über digitale Plattformen, Innovationspreise oder regionale Showcases. Denn wer nur auf Startups schaut, verpasst oft jene Unternehmen, die im Stillen echte Wertschöpfung leisten.

BrightPlaces: Ihr Partner für digitale Transformation im Alpenraum

Wir von BrightPlaces begleiten Unternehmen, Gemeinden und Organisationen im Alpenraum auf ihrem Weg in eine nachhaltige, digitale Zukunft. Mit unserer Erfahrung in Strategie, KI und digitalen Geschäftsmodellen entwickeln wir individuelle Lösungen für Wandel, Wachstum und Resilienz – im Einklang mit ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Zielen.

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Quellen:

KMU-Portal des SECO (Schweiz) Offizielle Seite für kleine und mittlere Unternehmen – mit Förderübersicht, Tools und Beratungsangeboten. https://www.kmu.admin.ch

Startup ticker – Schweizer Startup Monitor Zentrale Plattform für Startup-Nachrichten, Analysen und Reports zur Finanzierungssituation in der Schweiz. https://www.startupticker.ch

EY Startup-Barometer Schweiz 2024 (via Investrends) Aktuelle Zahlen zum Investitionsvolumen in Schweizer Startups, inkl. Branchentrends (z. B. KI). https://investrends.ch

BaselArea.swiss – Jahresrückblick 2023
Regionale Startup-Förderung im Kanton Basel – mit Zahlen zu Investitionen und erfolgreichen Unternehmen. https://baselarea.swiss

Greater Zurich Area – Standortförderung
Offizielle Plattform zur wirtschaftlichen Entwicklung im Wirtschaftsraum Zürich – mit Informationen zu Innovationsclustern, Schlüsselbranchen und Investitionschancen. https://www.greaterzuricharea.com

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